Die Betrügerin
Eine wahre Geschichte

Juli

Der Juli 2011 - Das Schicksal schlägt zu! Wäre es ein Buch, könnte der Titel passender nicht sein. Aber es ist nun einmal die Realität, wie es wirklich abgelaufen ist und da sind Titel unpassen.

Der Juli begann relativ harmonisch. Auf Grund des Erlebten hatte Christian Wagner ein wenig Angst vor männlichen Ärzten oder Krankenpflegern. Ich versuchte, ihm diese Angst zu nehmen, was natürlich nicht gelang. Aber da wir zusammen und sogar verlobt waren, war es für mich selbstverständlich, zu ihm zu halten. Ich dränge ihn zu nichts, was er erzählte, tat er freiwillig und ich war für ihn da. Er konnte mich Tag und Nacht erreichen. Den einen Abend schrieb er mir eine SMS und fragte mich, ob ich schon schlafe. Da war es nachts um halb zwei. Er brauchte in diesem Moment jemanden zum reden und ich war dann auch für ihn da.

Alles verlief einigermaßen gut. Bis mir Michelle Wagner erzählte, dass der Ex-Freund von Christian Wagner ständig vor dem Haus rum lungert etc. Ich ließ mir die Nummer geben, um mit dem Typen mal zu reden. Ich schrieb ihn an und er war total aggressiv. Das war am 09.07.2011. Während mir Michelle Wagner schrieb, dass sein Auto jetzt vor dem Haus steht, schrieb mir der Typ gleichzeitig, dass er vor der Tür steht. Nebenbei fragte Christian Wagner noch, was los ist. Ich schrieb also mit drei Leuten gleichzeitig. Das ging so bis zum 11.07.2011. Die Stimmung war total aufgeheizt. Ich wusste nicht mehr, wo vorne und hinten ist oder oben und unten. Die Situation nahm extreme Züge an. Meine Gefühle fuhren Achterbahn. In dem Moment reichte eine einzige, aber wirklich nur kleine nicht 100 % stimmige Aussage von Christian Wagner aus und ich habe ihm die Sache mit seiner Identität verbal um die Ohren gehauen. Ich habe ihm gesagt, dass er nicht existiert, ich habe ihm ein Bild des Schreibens von der EMA-Auskunft geschickt und von der Stadt Hamburg. Zwischenzeitlich hatte ich im Klinikum Links der Weser angerufen, wo mir mitgeteilt wurde, dass kein Christian Wagner dort im Krankenhaus liegt. Ich wollte in dem Moment den Kontakt abbrechen. Ich habe keine SMS mehr von Christian gelesen und demzufolge auch nicht mehr geantwortet. Ich habe es einfach ignoriert. Irgendwann hörte Christian Wagner dann auch auf, SMS zu schreiben.

Am nächsten Morgen, den 12.07.2011 hatte er nicht geschrieben, den ganzen Tag über nicht und am Abend auch nicht. Mittlerweile hatte ich eine Nacht drüber geschlafen und fand mein eigenes Verhalten vom Vorabend schon sehr extrem. Am Abend fand dann der allererste telefonische Kontakt überhaupt statt und zwar mit Michelle Wagner. Als ich ans Telefon ging, sagte sie nur "Es tut mir so leid, es tut mir so leid, ich weiß gar nicht, was ich sagen soll" Ich wusste ja nicht, was sie will. Und dann erzählte sie mir, was los ist: Christian Wagner war in der letzten Nacht gestorben! Sie erzählte mir, dass die Ärzte sagten, er hätte sich über irgendwas sehr aufgeregt, hätte wegen seines Spenderherzens und dieser Belastung einen Herzinfarkt erlitten und sei daran gestorben. Ich war gar nicht mehr zu halten, habe nur geheult. Das Telefonat hat eine Weile gedauert, teilweise auch ohne einen Ton zu sagen. Irgendwann sagte ich zu Michelle Wagner, dass ich Schuld bin und zu ihrem Bruder gehen werde. Wir verbleiben zwar so, dass ich nichts falsches mache. Aber nach dem Telefonat ging mir der Vorabend durch den Kopf. Ich hatte Christian Wagner in die Situation gebracht, es war meine Schuld, dass er sich so aufregte, einen Herzinfarkt bekam und daran gestorben ist. Es ging mir nur noch ein Satz durch den Kopf: "Ich bin Schuld!" Es hat ca. 1 1/2 Stunden gedauert, die Schuldgefühle in mir wurden immer stärker! Ich habe fast zwanghaft gehandelt und getrieben von den inneren eigenen Schuldzuweisungen, als ich mir einen Strick genomen habe und einfach losgefahren bin. Mein Ziel war es an dem Abend, aus dem Leben zu scheiden. Irgendwo landete ich dann auch, ich setzte mich dort hin, die Schuldgefühle wurden immer stärker. Ich hatte mein Handy dabei, ich las die letzten SMS von Christian Wagner. Darin schrieb er, dass es sich bei der negativen Melderegisterauskunft um einen Fehler gehandelt haben muss. Schließlich prüft die Deutsche Post im PostIdentverfahren die Identität, bevor sie den Kunden aufnimmt. Also muss es ihn doch geben. Er hat mich regelrecht angefleht, mich zu melden. Ich hatte es ignoriert und habe am 11.07.2011 abends keine SMS mehr gelesen. Aber die Tatsache, wie er mich angefleht hatte, zu antworten und dass er das alles richtig stellen wollte, ließen am Abend des 12.07.2011 meine Schuldgefühle nur noch stärker werden. Er hatte mir in einer SMS geschrieben, dass er dafür sorgen wird, dass ich meine Geräte und das Geld zurück bekommen soll, damit ich zufrieden sei.

Ich weiß nicht wie, aber die Nacht ging irgendwann vorüber. Als die Sonne aufging und der neue Tag erwachte, ging in mir irgendwas vor. Mein Vorhaben war falsch gewesen. Es ist falsch, sich das Leben zu nehmen. Jedenfalls bekam ich von meiner Hausärztin ein psychopharmazeutisches Beruhigungsmittel verschrieben. Nach dessen Einnahme war mir alles egal, ich kam zur Ruhe und bekam mit Nachlassen der Medikamentenwirkung auch wieder einen klaren Kopf.

Am Abend des 13.07.2011 schrieb ich mit Michelle Wagner. Das tat irgendwie gut, schließlich habe ich nicht nur meinen Verlobten, sondern sie auch ihren Bruder verloren. Das Schicksal schweißte uns zusammen. Sie erzählte mir, dass ihre Mutter den Anruf des Krankenhauses an dem Abend angenommen hatte. Als sie hörte, dass ihr Kind tot ist, hat sie den Hörer fallen lassen und wurde mit einem schweren Schock ins Krankenhaus eingeliefert. Sie hat mit niemandem gesprochen und das über insgesamt 6 Wochen.

Nun ist es im - wie auch immer gearteten - Todesfall so, dass der Verstorbene beerdigt werden muss. Michelle Wagner erzählte mir, dass Christian Wagner neben seinem Bruder beigesetzt werden wollte. Da dieser in Köln beerdigt ist, würde die Beerdigung dort stattfinden. Ich sagte ihr, dass ich unbedingt an der Beerdigung teilnehmen möchte. Ich bot auch meine Hilfe für die Vorbereitungen an. Im Laufe dieses Gespräches verfestigte sich bei mir der Gedanke, Christian Wagner sehen zu wollen. Im Leben sind wir uns nie begegnet, aber gesehen will ich ihn wenigstens einmal haben und vielleicht eine Haarsträhne haben möchte. Da es im Bezug auf Tote Menschen besondere Vorschriften gibt, wollte ich unbedingt so schnell wie möglich nach Bremen fahren. Ich rief also im Klinikum Links der Weser an und fragte, ob es möglich ist, einen Verstorbenen zu sehen. Die Dame am Telefon war sehr nett. Sie sagte, dass Verstorbene so schnell wie möglich vom Bestattungsunternehmen abgeholt werden. Sie wollte im Computer nachsehen, wie es in dem Fall weiter geht. Ich sagte ihr, um wen es geht. Sie hat ja gemerkt, mir das Nahe ging und ich merkte irgendwie, wie sie nach Worten suchte. Sie teilte mir mit, dass an dem bestimmten Tag zu der bestimmten Uhrzeit niemand männliches verstorben ist. Sie fragte mich, ob ich mich in der Aufregung vielleicht im Krankenhaus geirrt habe. Ich war total verstört und sagte zu der Dame, dass es vielleicht möglich ist und ich nochmal genauer nachfrage.

Später schrieb ich wieder mit Michelle Wagner und fragte, in welchem Krankenhaus ihr Bruder sei. Sie bestätigte, dass es das Klinikum Links der Weser sei. Ich teilte ihr mit, dass ich dort grad angerufen hatte. In dem Moment schrieb sie zurück, dass grad das Telefon klingelt und sie sich gleich wieder meldet.

Als sie sich zurück meldete, sagte sie mir, dass sie eine gute und eine schlechte Nachricht hätte. Ich wollte erst die Gute hören. Sie sagte mir, dass Christian Wagner 'nicht richtig' tot sei, sondern nur hirntot. Ihre Mutter hätte etwas falsch verstanden. Das erklärte natürlich, warum die Dame im Krankenhaus mir sagen musste, dass niemand derartiges gestorben ist. Grundgütiger, was war ich froh!!! Und dann wollte ich die schlechte Nachricht hören. Michelle Wagner erklärte mir, dass für die Feststellung des Hirntodes zwei unabhängige Fachärzte zu dem gleichen Ergebnis kommen müssen. Ein Arzt hatte ihn für tot erklärt. Der Lebensgefährte der Mutter (Tom, der Notarzt) ist ins Klinikum nach Bremen gefahren, um die Sachen von Christian Wagner abzuholen. Denn er wusste ja auch nicht, dass die Mutter es falsch verstanden hat. Als er im Krankenhaus war, hat er - weil er ja Arzt ist - eine minimale Reaktion bei Christian Wagner festgestellt. Was heißt festgestellt, er war sich nicht sicher, ob er es sich vielleicht auch nur eingebildet hatte. Jedenfalls hat dann ein zweiter Facharzt eine Untersuchung durchgeführt und festgestellt, dass die Diagnose Hirntod nicht in Frage kommt. Aber die schlechte Nachricht ist halt, dass er sein Leben lang Schäden zurück behalten wird.

Ob Schaden oder nicht - ich war zufrieden, dass er überhaupt noch da war.

Bis zum Ende Juli 2011 waren die Tage immer gleich. Täglich bekam ich über den Gesundheitszustand Bescheid. Ich habe aber immer mehr mit Michelle Wagner geschrieben. Ich wollte ja auch den Kontakt aufrecht erhalten. Sie gab mir auch immer das Gefühl, zur Familie zu gehören.

Der Juli 2011 war das absolute Grauen in meinem Leben...weiter gehts dann mit August.
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