Die Betrügerin
Eine wahre Geschichte

Mai

Der Mai begann in dieser Geschichte mit am 02. Mai mit einem kleinen Paukenschlag. Die Freie und Hansestadt Hamburg schickte mir ein Fax. Inhalt: "Der gesuchte Christan Wagner existiert in Hamburg nicht und hat dort nie existiert." Das war natürlich auch ein Schlag wie ins Gesicht. Er hatte doch nachweislich erzählt, dass er in Hamburg geboren wurde, später nach Köln zog und dann nach Selsingen. Wenn er dort nie existiert hat, ist er dort auch nicht geboren worden, hat dort nie gewohnt und hat dort auch keine Wohnung.

Das ganze hat mich dann gewurmt und regelrecht auf Trab gehalten. Ich versuchte "hintenrum" bei Christian Wagner etwas heraus zu kriegen. Aber sämtliche Fragen, die auch nur annähernd in diese Richtung abzielten, wurden einfach übergangen. Später bekam er eine Lungenentzündung und konnte deshalb nicht antworten. Gut, gegen eine Lungenentzündung kann man nichts machen und da Christian Wagner ohnehin einen schweren Stand hatte, wollte ich da an dieser Stelle auch nicht mehr weiter bohren - Gesundheit geht vor und alles andere kann später auch noch geklärt werden.

Eines Tages erhielt ich eine Nachricht von einer mir unbekannten Nummer. Es handelte sich um die Schwester von Christian Wagner, Michelle Wagner. Michelle war - wie sie mir erzählt hatte - am 20.02.1992 geboren, also zu dem Zeitpunkt grad 20 Jahre alt. Sie schrieb mir dann immer, wenn Christian Wagner nicht schreiben konnte. Ich fand das total nett, dass sie mich auf dem Laufenden hielt. Aus den Gesprächen mit Michelle Wagner erfuhr ich dann, dass Christian Wagner zu Hause in den besten Tönen von mir sprach. Ich glaube, ich bin zu dem Zeitpunkt richtig rot geworden, obwohl es nur eine SMS war. Sie sagte mir, dass Christian Wagner mich sehr mögen würde. Das hat mich natürlich gefreut, das auch mal gesagt zu bekommen und dann noch von einer unbeteiligten Person. Das hat mich auf eine gewisse Weise richtig beflügelt.

Als Christian Wagner dann wieder schreiben konnte, war das mit der EMA natürlich erstmal vom Tisch. Ich war froh, dass er das alles halbwegs überstanden hatte. Und es bestand ja auch die Möglichkeit, dass er in Köln gemeldet war, wo er lange Zeit lebte und zur Schule ging. Eines Tages erzählte er mir, dass er sich von seinem Freund getrennt hätte. Das hat mir sehr leid getan, denn so aus den Erzählungen heraus haben die beiden gut zusammen gepasst.

Er wollte dann aber aus dem Krankenhaus heraus. Er hatte insgesamt seit 2006 schon so viel Zeit im Krankenhaus verbracht, dass er es regelrecht nicht aushalten konnte. Also hat er sich nach Hause entlassen lassen. Da er bei seiner Mutter wohnte und deren Lebensgefährte Arzt von Beruf war, ging das auch in Ordnung.

Als Christian Wagner wieder zu Hause war, erzählte er mir eines Morgens, dass er zum Arzt gehen würde, zu seinem Hausarzt, dessen Praxis in der Nähe war. Da niemand zu Hause war, bat ich ihn, auf seine Schwester zu warten. Christian Wagner sagte, dass er das schafft und wenn seine Schwester zurück kommt, würde die Praxis schon geschlossen sein. Ich persönlich hatte ein schlechtes Gefühl bei der Sache, aber dagegen ausrichten konnte ich nun auch wieder nichts. Also setzte Christian Wagner seinen Dickkopf durch und ging zum Arzt. Allerdings mit der Auflage, ständig zu schreiben, wo er grad ist und so. Als er in der Praxis ankam und mir das geschrieben hatte, fiel mir ein Stein vom Herzen. Zwischenzeitlich kam seine Schwester Michelle Wagner nach Hause. Als sie feststellte, dass ihr Bruder nicht da war, fragte sie mich, ob ich wisse, wo er steckt. Ich habe es ihr dann erzählt. Gleichzeitig schrieb mir auch Christian Wagner, dass er sich auf den Weg nach Hause macht. Ich vermittelte zwischen den beiden, denn Christian Wagner ignorierte die Anrufversuche seiner Schwester. Seine Schwester fuhr zur Praxis und blieb auch mit mir in Kontakt. Gleichzeitig sagte mir Christian Wagner, dass er sich bereits auf den Weg nach Hause gemacht hat, ihm aber schwindelig sei. Ich sagte ihm, er soll sich irgendwo hinsetzen und warten. Es verging eine Weile ohne Kontakt zu beiden. Irgendwann erzählte mir Christian Wagner dann, dass er Sehstörungen hat und nicht weiß, wo er ist. Das war wie ein Schock. Die SMS war auch komisch geschrieben, mit vielen Fehlern drin und ich machte mir riesige Sorgen um Christian Wagner! Nach eine regelrechten Odyssee schrieb mir Michelle Wagner irgendwann: "Ich hab ihn gefunden!". Später zurück zu Hause erzählte sie mir, dass er sich an einer Stelle befunden hatte, wo er gar nicht dran vorbei gekommen wäre. Er hatte sich richtig verirrt. Als Christian Wagner wieder schreiben konnte, erzählte er mir, dass er seine Medikamente wegen der Transplantation nicht genommen hatte. Im Krankenhaus hatte das Personal darauf geachtet und er hatte es zu Hause vergessen, zu nehmen.

Dieser Tag war für mich eine furchtbare Erfahrung, solche Sorgen hatte ich mir ewig nicht gemacht. Ab diesem Tage habe ich Christian Wagner jeden Morgen um 08:45 Uhr und jeden Abend um 20:45 Uhr eine SMS geschickt, in der ich ihn an die Medikamenteneinnahme erinnert habe. Das klappte auch super und fortan hatte er seine Medikamente auch nicht mehr vergessen. Einmal hätte ich es fast vergessen und schrieb ihm erst um kurz nach 09:00 Uhr morgens. Das nahm ich zum Anlass, mir mein Handy so einzustellen, dass es mich unüberhörbar jeden Tag daran erinnert hat, dass ich Christian Wagner eine pünktliche SMS schicken muss, damit er die Medikamente nicht vergisst. Denn ich wollte nicht Schuld sein, dass er sie vergisst zu nehmen.

Der Monat Mai spielte im Leben von Christian Wagner auch eine besonders schlechte Rolle. Er war zugleich Geburts- als auch Todesmonat seines Bruders Kyle Wagner.

So endete der Mai 2011 nach langer Lungenentzündung und einer Osyssee doch noch im Guten...es gab keine gesundheitlichen Vorkommnisse mehr bei Christian Wagner. Der Juni 2011 hielt dann etwas absolut Schreckliches bereit, endete aber schön!
 
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